Qualitätssicherung in der Hochschullehre

Die einschneidenden Veränderungen im Beschäftigungssystem der letzten Jahre führten u.a. zu wachsenden Anforderungen an die Qualifikation der Lehrenden und Lernenden unserer Hochschulen. Bildung wird in diesem Entwicklungsprozeß zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Wann aber ist die Hochschullehre 'gut', die erworbene Ausbildung hochwertig? Und wo und wie kann man beides 'verbessern', wenn es überwiegend subjektive Ma▀stäbe der Bewertung gibt?

Auf der Grundlage praktischer Erfahrungen bei der Evaluierung verschiedener Hochschulen durch den Wissenschaftsrat und unter Heranziehung moderner wirtschaftlicher Ansätze der Qualitätssicherung haben wir ein System konzipiert, mit dessen Hilfe der Ma▀stab für die Lehrqualität tendenziell objektiviert werden kann. In einem weiteren Schritt lassen sich dann Ansatzpunkte für eine Sicherung bzw. Optimierung dieser Qualität entwickeln.

Was ist Qualität der Lehre?

Die akademische Lehre kann als geistiges, immaterielles Gut betrachtet werden, das im Hinblick auf die Studierenden im Spannungsfeld zwischen der Studierfähigkeit und der Berufsfähigkeit eine Dienstleistung darstellt. Es ist dabei zu berücksichtigen, da▀ jedes Hochschulstudium durch das besondere Merkmal gekennzeichnet ist, neben den Dozenten auch die Studierenden am Zustandekommen einer positiven Studien-leistung aktiv mitwirken zu lassen. Damit entsteht ein komplexer wechselbezüglicher Zusam-menhang zwischen Studierfähigkeit, Lehrqualität, Lernqualität und Berufsfähigkeit.

Unter Qualität der Lehre lä▀t sich die Ausprägung (Intensität) aller Merkmale und Eigenschaften der Wissensvermittlung, des Ler-nens und der Erziehung verstehen, die dem Erreichen der Berufsfähigkeit als Studienziel dient. Die Merkmale und Eigenschaften, die in der Definition der Lehrqualität genannt werden, können als Determinanten (Bestimmungsgrö▀en) verstanden werden, welche die Qualität der Lehre beeinflussen. Ma▀nahmen zur Sicherung bzw. zur Verbesserung der Lehrqualität haben daher bei diesen Determinanten anzusetzen.

Beispiele für personale Determinanten der Lehrqualität sind die fachliche Eignung (Erfahrung, Forschungsleistungen, Ansehen, Originalität, Aktualität des Wissens), die methodisch-didaktische Erfahrung, das Qualitätsbewu▀tsein, die Motivation sowie die Kooperation der Lehrenden. Als sachliche Determinanten kommen die Lehrstuhlausstattung, die Qualitätssicherungsverfahren, die Organisation der Lehre (z. B. Studienpläne/-ordnungen, Strukturpläne, Prüfungsordnungen) sowie die Kooperation mit der Berufspraxis (Betriebe, Behörden, Gymnasien, Tarifpartner, Parteien) in Betracht. Ein Konzept der Qualitätssicherung für die Lehre mu▀ erkennen lassen, wann bei welcher Determinante mit welchem Instrument eingegriffen werden sollte, um eine gewünschte Lehrqualität zu erreichen.

Der Proze▀ der Qualitätssicherung

Ausgangspunkt der Qualitätssicherung der Lehre ist die Berufsfähigkeit. Was darunter im einzelnen zu verstehen ist, mu▀ durch die Formulierung von Merkmalen bzw. Anforderungsarten aus dem jeweiligen Berufsfeld präzisiert werden. Die Zahl und das Niveau dieser Anforderungen lassen sich zu einem angestrebten Anforderungsprofil verbinden, welches die Zielvorstellung für die Gestaltung der Lehrqualität darstellt. Für den jeweiligen Studiengang ist in einem weiteren Schritt das gewonnene Anforderungsprofil in Teilprofile für Fach-, Methoden-, Sozial- sowie Wertekompetenz zu zerlegen.

Das Problem der Qualitätssicherung besteht dann darin, von diesem Anforderungsprofil auf die Lehrqualität zu schlie▀en und diese durch Einflu▀nahme auf ihre Determinanten optimal zu gestalten. Fundamental ist daher gesichertes Wissen über die Beziehungen zwischen den genannten Determinanten und der Lehrqualität. In Anlehnung an das in der Wirtschaft entwickelte "Quality Function Deployment" können Gewichtungen der Determinanten vorgenommen werden, die ihre Bedeutung für das Erreichen des Ziels Berufsfähigkeit ausdrücken.

In einem weiteren Schritt ist die Differenz zwischen der angestrebten Soll-Ausprägung und der Ist-Ausprägung der Determinanten der Lehrqualität zu ermitteln. Als Grundlage zur Ermittlung der Soll-Ausprägungen können im Sinne des Benchmarking die Ausprägungen derselben Determinanten in der angesehensten Konkurrenzfakultät herangezogen werden.

In einem letzten Schritt sind alle bekannten oder neu zu entwickelnden Ma▀nahmen bzw. Instrumente, die zur Qua-litätssicherung der Lehre eingesetzt werden können, daraufhin zu überprüfen, welchen Beitrag sie zur Veränderung der jeweiligen Determinante der Lehrqualität erbringen können. Als einzelne Ma▀nahmen sind zu nennen: Schaffen eines Qualitätsbewu▀tseins, methodisch-didaktische Fortbildung, neue Lehrformen und Lernformen, studienbegleitende Leistungskontrollen, Lehrberichte, Befragungen (Personalchefs, Führungspersönlichkeiten, Berater, Absolventen, Studierende, Assistenten, Professoren), Einführung von Studiendekanen (bzw. Mitarbeiterstellen für Qualitätsanalysen und -sicherung), Veranstaltungsbewertungen, Reorganisation von Lehrbetrieb und Prüfungen, Verbesserung der Arbeitsbedingungen (Lehrdeputat, Mittel für die Lehre, Bibliothek, Geräte, Labor- und PC-Arbeitsplätze, Räume) und externe Evaluationen durch Experten (z.B. 'peer reviews').

Qualitätsbeauftragte haben schlie▀lich dafür Sorge zu tragen, da▀ der Bedarf an Qualitätsverbesserung ermittelt sowie erprobte Ma▀nahmen veranla▀t, laufend überprüft und in ihrer Wirkungsweise abgesichert werden.

Prof. Dr. Marcell Schweitzer

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